Das für eigentlich eine strikte Rechtssprechung gegenüber Urheberrechtsverletzern bekannte Landgericht Hamburg hat nun der Abmahnindustrie einen Dämpfer erteilt. Mit Urteil vom 08.10.2010, Az: 308 O 710/09 hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass pro getauschter Datei auch lediglich 15 € Schadensersatz angemessen sein können.
Weiterhin hat das Gericht im diesem Einzelfall die Abmahnkosten nicht zugesprochen.
Der Fall:
Es ging um das Anbieten von 2 Musikaufnahmen in einer Tauschbörse (sog. Filesharing) von zwei bekannten Künstlern, an denen 2 führende Musikhersteller die Rechte inne haben.
Der damals 16jährige Sohn des Anschlussinhabers hatte 4120 Musikdateien in der Tauschbörse angeboten. Darunter befanden sich die Titel der o.g. Künstlergruppen.
Die abmahnenden Rechtsanwälte verlangten sowohl vom Anschlußinhaber als auch vom 16 jährigen Sohn des Anschlussinhaber Schadensersatz von 300 € je Musiktitel im Wege der sog. Lizenzanalogie. Weiterhin sollten Abmahnkosten (Anwaltskosten) von 797,60 € gezahlt werden.
Erste wichtige Kernaussage des Gerichts:
Nur der Täter (Sohn) haftet für Schadensersatz. Der Anschlussinhaber haftet nur für die verschuldensunabhängige Unterlassung als Störer nicht aber auch den verschuldensabhängigen Schadensersatz.
Zweite wichtige Kernaussage des Gerichts:
Den Musikherstellern stehen je Titel nicht die im Wege der Lizenzanalogie geforderten 300 € sondern lediglich 15 € zu.
Dritte wichtige Kernaussage des Gerichts:
Die Abmahnkosten sind nur bei einer wirksamen Abmahnung zu erstatten, wo klar ersichtlich ist, welcher Rechteinhaber an welcher Datei bzw. Musikwerk Rechte inne hat.
Im Einzelnen:
Der Anschlussinhaber haftet nicht für Schadensersatz. Der tatsächlich handelnde Urheberrechtsverletzer haftet hingegen auf Schadensersatz, auch wenn dieser im vorliegenden Fall erst 16 Jahre alt war, da er das Unrecht seiner Tat kannte. Durch die Handlung wird sowohl in das Recht des Urhebers des öffentlich Zugänglichmachens eingegriffen, als auch in der Vervielfältigungsrecht.
Die Höhe des Schadensersatzes war jedoch streitig. Der Schadensersatz wird im Wege der sog. Lizenzanalogie ermittelt. Das Amtgericht Frankfurt hatte ohne weitere Begründung pro Musikaufnahme 150 € als Schadensersatz angenommen. Der Tonträgerhersteller hatte im vorliegenden Fall einen Gema Tarif für Streaming oder On-Demand Dienste im Internet bemüht, welcher für die Mindestvergütung in diesem Tarif von 100 € aber von bis zu 10.000 Downloads ausgeht. Da vorliegend neben der Streaming auch eine Downloadmöglichkeit eingeräumt werde, sei eine Verdreifachung des Mindesttarifs angemessen.
Dem schloss sich das Gericht indes nicht an. Da die Tonträgerhersteller zu der Anzahl der Downloads nichts vorgetragen hätte, sei die Anzahl der Downloads zu schätzen. Das Gericht meint hier, dass von einer ertragsabhängigen und nicht von einer Pauschalvergütung auszugehen sei. Denn nur weil kein anderer Tarif vorhanden ist, der sich ohne Kenntnis von der konkreten Zahl der Aufrufe gut bei der Schadensbemessung verwerten lässt, muss man sich nicht auf einen Tarif verweisen lassen, mit dem sich gut rechnen lässt, so das Gericht. Hier ging das Gericht, da die Titel schon älter waren (12 Jahre bzw. 18 Jahre) von lediglich 100 Downloads aus. Unter Zuhilfenahme von einem anderen Gematarif, der pro Download abrechnet und nicht pauschal, kam das Gericht dann auf eine Vergütung von 15 € für die geschätzten 100 Downloads.
Die Tonträgerhersteller hatten keinen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten. Zwar bestand beiden Beklagten gegenüber ein Unterlassungsanspruch. Die Beklagten sind aber nicht wirksam abgemahnt worden. In der Abmahnung waren sechs verschiedene Tonträgerunternehmen, unter anderem die Klägerinnen aufgeführt, die in ihrer Gesamtheit als die führenden deutschen Tonträgerhersteller bezeichnet wurden. Die angebotenen Werke hätten die Rechte verletzt. Eine Zuordnung der jeweiligen Audiodateien zu dem jeweiligen Unternehmen erfolgte nicht.
Hier ist das Gericht der Meinung, dass dies nicht den Anforderungen an eine wirksame Abmahnung genügt. Es fehle der Abmahnung an Bestimmtheit, da nicht klar wäre, welcher der 6 Unternehmen an welchen Audiodateien Rechte geltend macht. Dieses Urteil zeigt, dass im Einzelfall durchaus Möglichkeiten bestehen, die geforderten Beträge deutlich verringern zu können.